Design ohne Titel 1

Fotos: R3nder / New Africa / oliver0723 via Adobe Stock

Inspirationen für eine „rohstoffleichte“ Zukunft

Von Sushi, Orangenschalen und sich selbst heilendem Beton

Wenn wir als Menschheit die Klima- und Biodiversitätskrise abwenden und innerhalb der planetaren Grenzen – den ökologischen Grenzen der Erde – bleiben wollen, müssen wir nachhaltiger mit Rohstoffen umgehen. Diese Forderung klingt einfach, aber auch sehr abstrakt. Wie könnte ein nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen im Alltag konkret aussehen? Und was würde dies für Wirtschaft, Gesellschaft und jede*n Einzelne*n bedeuten? In diesem Beitrag stellen wir euch drei Inspirationen für ein „rohstoffleichteres“ Leben“ vor.

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Inspiration 1: Blick zurück in Japans Edo-Zeit

In der Vergangenheit gab es immer wieder Zeiträume, in denen Gesellschaften besonders sorgsam mit ihren Ressourcen umgehen mussten. Meist waren Krisen der Grund hierfür. Das Verzicht oft zu kreativen Lösungen und interessanten Produkten führt, zeigt ein Blick in die japanische Vergangenheit.

Die Edo-Zeit war eine kulturelle Blütezeit der japanischen Kultur und wurde nach der Stadt Edo, dem heutigen Tokio, benannt. Während dieser Epoche, zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert, war die japanische Gesellschaft vom Rest der Welt relativ abgeschlossen. Die Tatsache, dass damals nur wenige Rohstoffe, die vor Ort verfügbar waren, verwendet werden konnte, führte zu einem kreativen Umgang mit Ressourcen.

Holz war damals ein knappes Gut. Es durfte nicht gefällt, sondern nur gesammelt werden und jeder durfte nur so viel nehmen, wie er selbst tragen konnte. Aufgrund der Knappheit von Feuerholz kam man auf die Idee, nur einmal in der Woche eine große Portion Reis zu kochen und ein Gericht aus kaltem Reis und rohem Fisch zu kreieren – so wurde das Sushi geboren.

Auch Stoffe und Kleidung waren knapp. So entstand die Idee, ein Kleidungsstück aus nur einer Stoffbahn zu nähen, welches im Laufe der Zeit mehrfach umgenäht und angepasst werden konnte. Der Kimono war geboren.

Diese Beispiele stehen stellvertretend dafür, dass ein nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen die Kreativität beflügeln und zu ikonischen Produkten führen kann, die heute weltweit bekannt und beliebt sind.

Inspiration 2: Im Kreislauf denken und wirtschaften

Wenn man über einen nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen nachdenkt, landet man sehr schnell bei dem Konzept der Kreislaufwirtschaft (engl. „Circular Economy“). Sie basiert auf der Idee, Materialien und Produkte möglichst lange zu nutzen, Abfall zu vermeiden und den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Die Idee basiert auf ökologischen Kreisläufen, bei denen es so etwas wie „Abfall“ nicht gibt, da alles vollständig wiederverwendet wird (Laubblätter werden zu Kompost etc).

Die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft bedeutet ein grundsätzliches Umdenken und eine Veränderung des „linearen“ Wirtschaftssystems, in dem Menschen Produkte kaufen, kurz nutzen und dann wegwerfen. Sowohl bestehende Geschäftsmodelle als auch das Konsumverhalten würden sich in einer zirkulären Wirtschaft ändern. Denn das Umdenken beginnt nicht erst beim Recycling eines Produkts, sondern schon in der Entwicklungs- und Designphase, wenn die Wiederverwendbarkeit der verwendeten Materialien und die Reparierbarkeit eines Produkts mitgedacht werden.

Schon heute findet man viele Materialien, Produkte und Dienstleistungen, die sich an den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft orientieren: Es gibt immer mehr Produkte aus nachwachsenden Materialien, wie Kleidungsstücke aus Orangenschalen, Handtaschen aus Kakteenblättern oder Dämmplatten aus Popcorn, die man nach der Nutzung kompostieren kann. Kleidungsstücke oder selten genutzte Geräte wie Bohrer oder Waffeleisen kann man anstatt sie zu kaufen auch ausleihen. Und es gibt Ladekabel oder Smartphones, die man ganz einfach selbst zuhause reparieren kann.

Um noch mehr Unternehmen zu motivieren, ihre Geschäftsmodelle hin zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft anzupassen, werden verschiedene politische Maßnahmen und Gesetzesvorhaben diskutiert. Darunter sind verpflichtende Materialpässe, die über die enthaltenen Materialien in einem Produkt und deren Recyclingfähigkeit Auskunft geben, oder das Recht auf Reparatur, für das sich das Europaparlament im April 2024 mit Blick auf Elektrogeräte bereits ausgesprochen hat.


Inspiration 3: Nachhaltig bauen

Der Bausektor ist weltweit einer der rohstoffintensivsten Wirtschaftsbereiche. In Deutschland werden 90 Prozent aller genutzten mineralischen Rohstoffe zur Herstellung von Baustoffen und -produkten eingesetzt (Quelle). Zudem gehen 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf den Bausektor zurück (Quelle). Eine Einsparung von Rohstoffen im Baubereich hätte also besonders weitreichende Auswirkungen.

Wie das konkret aussehen könnte? Problematische Baumaterialien wie z. B. Beton oder Ziegel, bei deren Produktion besonders viele CO-2-Emissionen anfallen und/oder die man nur schwer recyceln kann, können verbessert oder durch nachhaltigere Materialien ersetzt werden. Hier sind zwei Beispiele dafür:

Sich selbstreparierender Beton

Moderner Beton ist anfällig für die Entstehung kleiner Risse. Durch diese dringt Wasser ein, was dazu führt, dass sich die Risse weiter vergrößern. Viele Bauwerke aus Beton, wie z. B. Brücken, benötigen daher bereits nach wenigen Jahren umfangreiche Reparaturen oder müssen abgerissen werden. Eine spannende Erfindung, um das Leben solcher Bauwerke zu verlängern und sich Reparaturen zu sparen, ist selbstreparierender Beton. Eine Möglichkeit diesen herzustellen ist die Zugabe von Bakteriensporen, die aktiviert werden, wenn Wasser eindringt. Sie beginnen dann zu mineralisieren, dehnen sich aus und reparieren dadurch den Beton.

Dämmen mit nachwachsenden Rohstoffen

Viele Dämmmaterialien bestehen aus Kunststoffen oder Mineralwolle, die sich schwer recyceln lassen. Als biologisch abbaubare Alternativen hierzu könnten zukünftig Dämmplatten aus Popcorn oder eine Dämmung aus abgestorbenem Seegras, das man auch beim Schwimmen im Mittelmeer finden kann, verwendet werden. Beide Materialien haben gute Dämmeigenschaften und besitzen einen natürlichen Brandschutz.

Autor*in

Dr. Raphaela Hobbach